zurück zur Presseübersicht

Kiez und Kneipe

„… und dann war ich hier plötzlich zu Hause“

Peter S. Kaspar schaut Oren Dror beim Brezelbacken zu

Eigentlich sollte er ja das Busunternehmen seines Vaters in Tel Aviv übernehmen. Doch nun backt er Brezeln in der Brezelbar in Kreuzberg. Oren Dror ist 29, lebt seit acht Jahren in Berlin und baut gerade ganz behutsam ein Unternehmen auf. Neun Mitarbeiter hat er schon – und vor allem große Kunden. Er beliefert die Columbiahalle, das Huxleys und die Alte Försterei, das Köpenicker Stadion des FC Union Berlin. Seit Anfang Oktober gibt’s nun die Brezeln auch im Direktverkauf am Produktionsort in der Arndtstraße.

Eigentlich ist Berlin ja so etwas wie eine Brezel-Diaspora. Während in Süddeutschland ein Frühstückstisch ohne frische Laugenbrezeln schlechterdings nicht vorstellbar ist, gelten die Teigschleifen in Berlin bestenfalls als Eventgebäck oder abendlicher Kneipensnack, wenn zu- fällig mal ein Brezelverkäufer vorbei kommt. Diese feinen regionalen Unterschiede waren Oren nicht klar, als er 1999 nach Berlin kam. Überhaupt landete er mehr oder minder zufällig, über Budapest kommend, in Berlin, fand es nett, wollte ein paar Monate bleiben. „Nach drei oder vier Jahren musste ich dann akzeptieren, dass ich hier zuhause bin.“

Zunächst lernte er Deutsch, dann jobbte er in Kneipen. Und dann begegnete er eines Tages der Brezel. Oren kam abends aus dem Theater raus, da stand ein Brezelverkäufer. Mit ihm kam er ins Gespräch und das brachte ihn auf die Idee. Nun begann er selbst mit dem Brezelverkauf. Zunächst in Kneipen. Er kaufte einen alten Golf und klapperte damit die Läden ab. Schnell kamen die Strandbars hinzu: Strandbar Mitte, Oststrand, Bundespressestrand. Das Brezelgeschäft lief prächtig, der Sommer ging zuende und das Brezelgeschäft brach zusammen. Dann bekam er einen Tipp, es doch mal mit der Columbiahalle zu versuchen. Das war vor viereinhalb Jahren. Und es kamen weitere Kunden dazu. Das Brezelgeschäft wurde nun saisonunabhängig.

Vor einem Jahr dann wurde Oren vom Brezelverkäufer zum Brezelproduzenten. „Ich bekomme bessere Ergebnisse, wenn ich selber backe und ich weiß, dass die Brezeln frisch sind“, erklärt er. In der Arndtstraße fand er die Räumlichkeiten. Seit Oktober gibt’s seine Brezeln in der Arndtstraße auch im Direktverkauf zwischen 11 und 16 Uhr. Einmal in der Stunde kommen sie direkt aus dem Ofen. Das bedeutet, dass die guten Stücke meistens noch warm sind, wenn sie der Kunde in die Hand gedrückt bekommt.

Er wolle ein großes Unternehmen aufbauen, eine Firma mit vielen Angestellten, gesteht er. Das ist umso bemerkenswerter, weil er ja zu Hause in Tel Aviv einfach ein großes Unternehmen übernehmen könnte. Doch Oren hat sich in den Kopf gesetzt, es selbst aus eigener Kraft zu schaffen. Und seine Familie? Ist da keiner sauer? Hinzu kommt ja durchaus auch die spezielle Situation, dass ein junger Israeli sich ausgerechnet in Deutschland eine Existenz aufbaut. Oren winkt ab: „Sie freuen sich, wenn es mir gut geht.“ Und einer freut sich sogar besonders. Orens Großvater stammt aus Hamburg, und der ist glücklich, dass nun einer in der Familie seine alte Muttersprache gelernt hat.

Peter S. Kaspar, Kiez und Kneipe, November 2007